Francesco di Giorgio Martini (Siena 1439 – 1501), Künstler universale, Maler, Bildhauer und Architekt, wurde durch seine Herkunft aus Siena und seine Aufenthalte an den Höfen von Urbino und Neapel geprägt. Seine Tätigkeit als Gutachter beim Bau der Dome von Mailand und Pavia (1490) und seine Begegnung mit Leonardo da Vinci sind kaum ohne Einfluss auf seine späten architekturtheoretischen Positionen geblieben, wie auch umgekehrt nach Kruft auch Leonardo über eine Kenntnis von Francescos Architekturtheorie verfügte. Die verschiedenen handschriftlichen Traktate, deren Eigenhändigkeit zum Teil in Frage gestellt wird, wurden zu Martinis Lebzeit nicht gedruckt, aber von den Architekten des späten 15. und 16. Jahrhunderts (Fra Giocondo, Peruzzi, Serlio, Pietro Cataneo, Palladio) ausgiebig benutzt.

Martini hat als erster überhaupt die Vitruvschriften ins volgare übersetzt (siehe die Handschriften der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz, Ms. II.I.141 und der Biblioteca Comunale, Siena, ms. S. IV. 4) und lehnt sich grundsätzlich in seinen Architektur- und Festungsbauschriften an Vitruv an. Die anthropometrischen Ansätze von Vitruv, aber auch Alberti und Filarete, werden in seinen Architekturvorschlägen jedoch nicht konsequent durchgeführt. Sein Trattato di Architectura Civile e Miltare (Kodex Vat. Urb. Lat. 1757, wohl um 1470/92) ist systematisch aufgebaut und in 7 Bücher unterteilt: 1. Vorbedingungen des Bauens. Materiallehre 2. Haus- und Palastbau. Methoden der Wasserfindung 3. Kastelle und Stadtplanung 4. Tempelbau 5. Befestigungsformen 6. Hafenanlagen 7. Bewegungsmaschinen für Transporte usw. Wichtig sind auch die beigefügten Abbildungen, von denen einige von Marianus Jacobus Taccola ( > Taccola, zw. 1427 – 1441) übernommen sind. In dem Kleinstkodex werden auch Konstruktions-materialien und ihr Transport, Balken und Gerüste genau beschrieben. Hie und da sieht man auch Gerät und Werkzeuge aller Art, wie Picken, Vorschlaghämmer, Hämmer, Zangen, Äxte, Bohrer, Schmelzöfen, Ambosse, Haken usw.