Obgleich sich die grossen Künstler der Renaissance um ein wissenschaftlich fundiertes System der Darstellung des Menschen bemühten, war Dürers « Proportionslehre » das einzige bedeutende Werk, das zu diesem Thema in dieser Zeit gedruckt wurde. Grundlagen für die Lösungen seiner kunsttheoretischen Fragestellungen findet Dürer bei Vitruv, Alberti und Luca Pacioli, die den klassischen Kanon der « stetigen Teilung » ( des goldenen Schnittes ) übernehmen und variieren.

            Ursprünglich wohl ausgehend von der idealen Schönheit des menschlichen Körpers, kommt Dürer hier zu einer Typenlehre, die sich bemüht, die Darstellung der verschiedensten Körperproportionen in einem wissenschaftlich lehrbaren System der Transformationen zu erfassen, indem er die Verkürzungen, Verlängerungen und Transformationen den « Normalmenschen » unterwirft. Neu sind auch seine Überlegungen zu der Position einer Gestalt im Raum. Auch hier unterwirft Dürer seine Figuren systematisch allen Transformationen, denen man eine « Normalfigur » unterwerfen kann. Das Buch, das auf dreissigjährigen Forschungen Dürers beruht, enthält nicht nur grundsätzliche Darlegungen zu Dürers künstlerischem Schaffen, sondern hat in der Folgezeit immer wieder Impulse zur theoretischen Ausrichtung der darstellenden Künste gegeben.

            Man beachte die grosse Anzahl der Ausgaben, die für die Verbreitung der « Proportionslehre » ( später meistens mit « Symmetrie » übersetzt ) und der verschiedenen Möglichkeiten der Konstruktion einer Perspektive mittels Perspektivmaschinen besonders wichtig sind. Oft genannt als Lehrbuch in den Nachlass-Inventarien von Künstlerateliers.

• Livre de perspective, Jehan Le Royer (1560) von Cousin, Jean le Vieux
• Underweysung der / proportzion , Christoff Zell (1538) von Schoen, Erhart