Autor | Theophilus ; |
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Titel | Schedula diversarum artium |
Untertitel | |
Publikationsjahr | 1060 - 1090 |
Publikationsort | |
Verlag/Herausgeber | |
Illustrationen | Nein |
Beschreibung |
Theophilus war Mönch, über dessen Abstammung und Leben wenig bekannt ist; evtl. handelt es sich um den Goldschmied und Benediktinermönch Rotgerus von Helmarhausen. Theophilus kam offenbar aus dem Rheintal und lebte in Lüttich oder Utrecht. Er muss mit byzantinischen Malpraktiken sehr vertraut gewesen sein. Theophilus ist gebildeter Theologe, kein Theoretiker, sondern ein Fachmann und Goldschmied, der aus eigener Erfahrung für andere Praktiker schreibt. Bedeutender, selbständiger und gut strukturierter Text mit vollständiger Schritt-um-Schritt Produktionssystematik ! Viele Hinweise zur Technik der Malerei und deren Ausführung ( Buchmalerei, Tafel- und Wandmalerei ). Dabei ist es immer wieder wichtig, sich die Inständigkeit, mit der Theophilus von den Künstlern Farbigkeit verlangt, vor Augen zu führen. Er ermahnt den Künstler, seine Bilder durch vielfältige Farbigkeit zu schmücken – diese « varietas colorum » ist neben dem Glanz ( fulgor, splendor ) ein Zentralbegriff der Schedula, die Farbe ist bei ihm überhaupt die Grundlage der Malerei. Bd. 1: Technik der Malerei mit Beschreibungen von Übertragungsmethoden und Proportionsberechnungen; Anweisungen zur Herstellung und Mischung von Farbmitteln, nach Malsujet und Techniken getrennt. Erstaunlich ist dabei die Differenzierung der Bezeichnungen von Farbmittel, Farbton und deren Mischtönen. Unter der Herstellung von Farbmitteln wird u.a. ein Rezept zur Herstellung von Bleiweiss und, wichtig, zum ersten Mal die technische Herstellung von Bleigelb besprochen; wichtig sind hier auch die Anweisungen zur Verlackung von Farbstoffen sowie künstlerische Techniken wie Veneda ( Grauunterlegung aus Kalkweiss und Schwarz für Ultramarin und Grün ) mit verschiedenen Grundierungssystemen. Vorbereitung und Herstellung von Holztafeln werden intensiv beschrieben: Befestigung der Bretter aneinander, zusammengeklebt mit Kalk-Kaseinleim ( aus Käse und ungelöschtem Kalk ), Glättung, Überklebung der Tafel mit ungegerbter Pferde-, Esels- oder Kuhhaut, oder auch mit einem Gewebe. Grundierungsauftrag mit mehreren Schichten totgebranntem Gips + Bindemittel. Ferner beschreibt Theophilus den schichtenweisen Farbauftrag für die Malerei auf Holzdecken und Holztafeln, mit Illustrationen zur Schattengebung. Für die Tafelmalerei wird die Kirschgummi-Eiklar-Technik mit nachfolgendem Firnisüberzug ( auch mit Eiklar ) beschrieben. Theophilus nennt aber auch erstmals die Verwendung von Öl in der Malerei, das zum Trocknen an die Sonne gestellt wird; mit dem gleichen Öl werden auch die Lüstertechniken ( pictura translucida ) ausgeführt. Auch gibt es Kapitel zu Leimen sowie Blattgold- / -silber- und Staniolauftrag, darunter die Verwendung von Zinnfolien für goldimitierende Ornamentik. Herstellung von Tinten, Leimen ( Käseleim ), Überzügen ( z.B. über gefärbtem Horn und Elfenbein ) und Vergoldung. Die Anweisungen die Wandmalerei betreffend haben sich durch die ganze gotische Zeit erhalten: Kalkmalerei, mit Kalkfarben auf die angefeuchtete Mauer malen, dann al secco in Kalksecco oder mit anderen Bindemitteln beenden ( z.B. Azzure und Lacke mit Ei ); Vergoldungen mit Ölbeize anbringen. Besprechung von an der Wand nicht verwendbaren Farbmitteln ( z.B. Auripigment, dagegen verwendet Theophilus – wenn auch eingeschränkt – Zinnober ); Rötliche Unterlagen bei Vergoldungen, grünlich-schwarze Töne ( prasinus ) bei Inkarnatstönen und posch ( Mischung von prasinus und gebranntem Ocker ) als Schattenunterlegung. Bd. 2: Glasherstellung mit der Beschreibung der Formgebungstechnik des Flachglases, das im Grunde dem noch heute praktizierten Zylinderblasverfahren entspricht. Nach dem Aufschneiden der Wandung in Längsrichtung streckt man das Glas und bügelt es mit einem Holzstück flach. Dann Glasfärbung oder Einbrennen von Farbe in Glas; Techniken auf Glas; Bau von Glasöfen, ebenso Kühl- und Streckofen. Bleiguss ( für Kirchenfenster ), Eisen, Eisengiessen. Bd. 3: Hauptsächlich Goldschmiedetechniken mit den schwierigen Gussverfahren für die Einzelteile eines Kelches und die Montagearbeiten mit Hart- und Weichlöten und eine wichtige, jedoch längst bekannte Anleitung zum Niello (Vgl. zu Niello > Wolters 1996b !). Theophilus beschreibt die partielle Feuervergoldung niellierter Silberarbeit, das Gravieren der Zeichnung, alle Schritte der Herstellung der Niellomasse und deren Zerstossung im Mörser unter einer Wasserdecke, die Aufbewahrung des Niellopulvers in einem Gänsekiel, die Befeuchtung der zu niellierenden Teile des Werkstücks mit einer Boraxlösung, das Fliessen der Nielloschmelze, das Abtragen der Niellomasse nach dem Einbrennen mit einem Schaber, die folgende Freilegung der Zeichnung durch Nassschleifen mit einem Stein, das Nachschleifen mit dem vom Schleifstein abgeriebenen Pulver, die anschliessende Reinigung mit einem Lappen und das Polieren mit einem Leder und Ohrenschmalz. Dann beschreibt er als einzige mittelalterliche Quelle das Verfahren des Braunfirnis ( d.h. die Kupfer schwärzende Originaltechnik und nicht ihre spätere malerische Imitation ): Dazu wird auf rotes, bleifreies Kupferblech die Vorzeichnung graviert, Leinöl aufgetragen, verteilt und sanft erwärmt. Bis zur gänzlichen Trocknung des Öls wird der Vorgang wiederholt. In lebhafterem Feuer wird dann abgeraucht, wieder Öl aufgestrichen und dieser Vorgang so oft wiederholt, bis der Farbton des Firnis die gewünschte Sättigung erreicht. Nach der langsamen Abkühlung wird die negative Zeichnung aus dem Überzug herausgeschabt. Anschliessend wird das blanke Metall mit einer erwärmten Quecksilberlösung auf Weinstein-Kochsalz-Basis behandelt, feuervergoldet und mit einer Messingbürste matt poliert. Weiter beschreibt er die Ziselierung / Punzierung, dann die Herstellung von Golddraht und die Drahtherstellung aus einer Zinn-Blei-Legierung. Weiter die Beschreibung von Werkstatteinrichtung, Unterhalt von Werkzeugen ( Härten ); Kupfer, Reinigungs- und Scheidungsprozesse von Metallen. Überziehen von Eisen mit Zinn durch Tauchung (= unter Sauerstoffausschluss, sonst rostet das Eisen). Wichtig die Erzeugung von Messing: Man behandelt Kupfer mit einer cadmia genannten Erde ( deren Charakter als Zinkerz noch nicht erkannt war ) und erhält ein goldglänzendes Metall. Man kann also von einer Metallverwandlung ( Transmutation ) im Sinne der Alchimie sprechen. Die Beschreibung der Messingherstellung bei Theophilus ist so modern, dass sich daran während 800 Jahren nichts geändert hat. Weiter die Beschreibung eines recht weit entwickelten Verfahrens für Glockenguss in Wachsausschmelztechnik; Beinschnitzerei und Perlen. Die Datierung ist nicht ganz unumstritten, der « Cennini des Nordens » wird von verschiedenen Autoren, je nach Manuskriptkopie, auch ins 12. Jh. ( zw. 1110–1140 ) datiert. Brepohl gibt als gesichertes Datum « um 1125 » an. |
Ausgaben |
Ephraim Lessing hat den Codex Gudeanus in Wolfenbüttel ent¬deckt und gab ihm auch den Titel schedula diversarum artium ( der Titel kommt im Vorwort des Ms. Gudeanus vor ). Inzwischen fand man noch zwei andere Manuskripte ( siehe oben ), das Ms. aus Wolfenbüttel ist jedoch das kompletteste. Das Manuskript aus Wien ist auch unter seinem Titel De diversis artibus bekannt. – Lessing, G. Ephraim: Vom Alter der Ölmalerey aus dem Theophilus Presbyter. Berlin 1774 ( = Schrift gegen die Ideen des Vasari als « der Kunstschwätzer aus Arezzo » ). Der Text findet sich in den « Vermischten Schriften », Bd. 8, Berlin 1771–1794, S. 353ff. und in den « Vermischten Schriften », Ausgabe Göschen, Leipzig 1841, S. 844ff. ). Dt. Ausgaben: Theophili Presbyteri Diversarum Artium Schedula. Ed. Christian Leiste. In: Zur Geschichte und Litteratur aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Braunschweig 1781 ( Bd. 4 ) | Ed. Albert Ilg. In: Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Bd. 7; Braumüller Wien 1874 ( Nachdruck Verlag Zeller, Osnabrück 1970 / 71 ). Die Ausgabe von 1874, bzw. das Reprint von 1970 enthalten nur das Buch I Techniken der Malerei ) und die Üs. der Handschrift « De Clarea » vor 1100, siehe dort. Die Ausgaben von 1933, 1953 und das Reprint von 1984 enthalten das Buch I nur auszugsweise, dafür die Bücher II und III komplett. | Brepohl, Erhard: Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk ( Gesamtausgabe der Schrift De diversis artibus in 2 Bänden: Bd. 1: Malerei und Glas, Bd. 2.: Goldschmiedekunst Verlag Böhlau, Köln / Weimar 1999 / Brepohl, Erhard: Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Gesamtausgabe der Schrift de Diversis Artibus in einem Band, Böhlau, Köln 2003. Frz. Ausgaben: L’Escalopier, Comte Charles, de: Theophili Presbyteri et Monachi libri III etc., Paris 1843 | Bourassé 1851 ( nach der Üs. von Hendrie 1847 ) | Bontemps 1876 | Die Ausgabe Bourassé 1851 wird von Blanc ergänzt und kommentiert: Blanc, A.: Essai sur divers arts: en trois livres. Picard, Paris 1980 | Traité des divers arts, Emile Paul frères, Paris 1924. Engl. Ausgaben: Raspe, Rudolf E.: A critical essay on Oil-Painting, providing that art of painting was known before the pretended discovery of John and Hubert van Eyck, to which are added Theophilus De Arte Pingendi, Eraclius De Arte Romanorum. And a review of Farinator’s Lumen animae. London 1781 | Dodwell, C. R.: Theophilus: The Various Arts. Theophilus: De Diversis Artibus. Translated from the Latin with Introduction and Notes. Thomas Nelson, London 1961 ( Reprint Clarendon Press, Oxford 1986 ) | Hawthorne, John G. / Smith, Cyril Stanley: Theophilus. On divers arts. The Foremost Medieval Treatise on Painting, Glasmaking and Metalwork. Translated from the Latin with Introduction and Notes, University of Chicago Press, Chicago 1963 ( Reprint Dover Publications, New York 1979 ). Vgl. auch: Scholtka, Annette: Theophilus Presbyter – Die maltechnischen Anweisungen und ihre Gegenüberstellung mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsberichten. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung; 1992 / 1, S. 1–54 ( mit kompletter Liste aller Theophilus-Editionen, mit teils Neuübersetzung und Neuinterpretation ). |
Bezug zu anderen Quellen | |
Referenzen | Morelli 1776, Lessing 1781, De l’Escalopier 1843, Merrifield 1846, Hendrie 1847, Winston 1847, Merrifield 1849, Bourassé 1851, Bontemps 1876, Berger 1897, Eibner 1926, Degering 1928, Thompson 1932, Theobald 1933, Johnson 1938, Bischoff 1952 / 53, Roosen-Runge 1952 / 53, Waetzold 1952 / 53, Silvestre 1954, Roosen-Runge 1955, Silvestre 1963, Frinta 1964, Lipinsky 1964, Thompson 1967, Raft 1968, Bischoff 1971, Roosen-Runge 1972, Straub 1980, Roosen-Runge 1984, Straub 1984, Ulmann 1984, Brepohl 1987, Knöpfli / Emmenegger 1990, Bordini 1991, Raft 1992, Raft 1995, Knobloch 1996a, Priesner 1996, Wolters 1996a + b + c, Ruthenberg 1996, Munoz Vinas 1998, Schießl 1998, Brepohl 1999, Koller 1999, Koller / Raft 1999, Lehmann 1999, Wellmer 1999, Clarke 2001. |
Verfasser | Zindel 2010 |