M. Vitruvius per Iocundum solito castigatior
Autor Giocondo, Fra ;
Titel M. Vitruvius per Iocundum solito castigatior
Untertitel factus cum figuris et tabula ut iam legi et intelligi possit
Publikationsjahr 1511
Publikationsort Venedig
Verlag/Herausgeber Tacuino
Sprache Latein
Illustrationen Ja
Beschreibung

Marcus Vitruvius Pollio war im Heere Caesars mit der Herstellung der Waffen für die Heeresartillerie beschäftigt. Er verfasste die Zehn Bücher über Baukunst in der augusteischen Zeit und verarbeitete 37 griechische und 7 römische Autoren. Damit überliefert er wenigstens teilweise auch die in Griechenland entstandenen Baulehren, die seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. nicht übertragen sind und liefert eine Grundlage für das Architekturstudium ab der Renaissance bis heute. Während er bei der Forderung nach einer grundsätzlichen Ausbildung der Architekten, bei der Behandlung ästhetischer Probleme und in der Stadtplanung manchen ( wohl idealisierten ) theoretischen Ansatz zeigt, teilt er in den bau- und materialtechnischen Abschnitten Erfahrungswissen mit. Wichtig für die römische Baukunst im Allgemeinen ( mit Erwähnung der verschiedenen Häusertypen ), Wasser ganz allgemein ( Qualität von Wasser und Wassertransport, wie der Bau von Aquädukten und Zisternen usw. ). Es handelt sich um die wichtigste Besprechung römischer Werkstoffe der Architektur und des Baus: Kalk, Gips, Mörteltechniken, Mörtelzusammensetzung, Wasserkalkmörtel, unter Einsatz von Puzzolan und des pompeianischen Bimssteins. Erwähnung von Tonerde, Ziegelsteinen und Terracotta, auch in Zusammenhang mit Statuen und Figuren. Wichtig das Verständnis des Feuchtehaushaltes im Bau und der Verfall von Steinen und Stucco, auch in Zusammenhang mit ausblühenden Salzen an Wänden. Besprechung von römischer Wandmalerei ( Buch VII, v–xiv ). Der Schutz von Wandmalerei wird durch Auftrag von Wachs und Öl empfohlen, dieser poliert ( ganosis ). Besprechung der Farbmittel der Wandmalerei mit Unterscheidung nach natürlicher oder künstlicher Herkunft, nach reiner oder gemischter Zusammensetzung: Herstellung und Zubereitung von Bleiweiss, Mennige, rotem Ocker, Malachit, armenischem Ultramarin ( wohl Azurit ), gebranntem Ocker ( sil ), grüner Erde, weissen Erden ( Paraetonium, Melianische Erde ); ferner von natürlichem gelbem Auripigment und künstlichem, orangem Auripigment ( Sandarak = gebranntes Arsenik ); Chrysocolla ( wohl Malachit ); weiter Gewinnung von Russschwarz ( atramentum ), Herstellung von Bleiweiss, Auripigment, Gewinnung von Grünspan durch Eintauchen von Kupferblechen in Essig (ergibt basische Kupferacetate, könnte auch künstlichen Azurit ergeben), Herstellung von Bleirot durch Glühen. Indigo wird erwähnt, Purpur und Purpurersatz, Verlackung von Wurzelkrapp als Purpurersatz und Hinweise auf Färbepflanzen. Erwähnung der Herstellung einer blauen Farbe in Alexandria aus Sand und Sodablumen (ägyptisch Blau ?). Erwähnung von Gummi für Tinten und von Leimen für die Wand. Weiter wird Bronze erwähnt zum Giessen von Statuen, deren Giessvorgang und diese Bronzen zu vergolden; Terracotta in der Verwendung für Statuen; Erwähnung von haltbarem ( Oliven- )Holz, auch für Schnitzerei, Statuen und Architektur ( Architrave ). Beschreibung einer Recyclingmethode für Gold aus Goldfäden gebrauchter Gewänder durch Extraktion mittels Quecksilber aus der Asche der Kleider (Buch VII, Kap. 8). Das Thema der Architekturmalerei findet bei Vitruv natürlich einen wichtigen Platz: er bietet eine Rechtfertigung für gemalte Scheinarchitektur; schreibt über die Buntheit von Steinen und Marmorplatten der Alten und deren gemalte Ausladungen von Giebeln und Säulen; jedoch lehnt er die modernen gemalten Grotesken ab. Durch die Ausgabe des Vitruvius Teutsch 1548 durch Walter Hermann Ryff wurde Vitruv schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts im Norden verstanden. Durch ihn und durch Dürer wurde der Wandschmuck innen und aussen auch im Privatbereich zur Widerspiegelung der Würde des Ortes und des Bewohners; dabei war die Malerei das hauptsächliche Medium, diesen Eindruck auf den Besucher zu übertragen. Auch für Dürer war die zird ein integrierender Bestandteil des Baukörpers.

Am Ende seines Lebens bringt Fra Giovanni Giocondo (um 1435 – 1515) alle seine Kompetenzen auf, um den schwer zugänglichen und mangelhaften Text von Vitruv verständlich darzulegen. Fra Giocondo ist ein bekannter Ingenieur, kennt die technischen und wissenschaftlichen Schriften der Alten, ist kompetenter Philologe und ausgezeichneter Kenner der Ruinen und deren Inschriften. Er versucht, De architectura libri decem von Vitruv verständlich für Wissenschaftler wie auch für Praktiker zu machen, daher fügt er am Schluss auch ein wichtiges Wörterbuch an. Im Vergleich zu den drei vorhergehenden Ausgaben von Vitruv (um 1486, 1496 und 1497) bietet Fra Giocondo einen stark verbesserten Text mit 136 Holzstichen, da ja die originalen Abbildungen verloren sind. Seine Interpretationen des dorischen Stiles, die Vitruv nicht bis ins Detail beschrieben hatte und selten in den antiken Bauwerken vorkommen, wurden von fast allen seinen Nachfolgern wie Diego de Sagredo, Serlio, Philandrier, Vignola oder Palladio übernommen.

Wie in allen Vitruveditionen werden auch in Fra Giocondos Werk die am Bau verwendeten Materialien beschrieben: Im Libro II werden Ziegel, Sand, Kalk, Puzzolane, Stein und die verschiedenen Mauertypen, sowie das Bauholz beschrieben. Im Libro VII werden die Bodenbehandlung und Fundamentlegung mit seltener Abbildung des Arbeitsvorganges, die Bearbeitung der Mauern, Mauerbehandlung in feuchten Räumen, die Wandmalerei, Marmor und von Kapitel VII – XIV die verwendbaren Farbmittel beschrieben.

Die besprochenen Farbmittel sind nach Vitruv und beginnen mit Ocker (ocra) und rubrica (Rötelstein), die in Griechenland und Italien in der Verwendung sehr verbreitet seien und mit synope (pontischer Rotocker) verwendet würden, auch mit oder über paraetonium und melinum (Naturkreide, auch Schlämmkreide). Creta viridis (grüne Erde), das von verschiedenen Orten, aber die beste aus Zmyrnae (Izmir, Türkei) stammt, mit Hinweis auf Theodot; dann Auripigment, das die Griechen arsenicon nennen, und sandaraca (hier wohl als natürliches Pigment gedacht = synope), beide findet man im Ponto (wohl griechische Schwarzmeerküste). Eine längere Beschreibung gilt der Herstellung von Zinnober aus antrax und Quecksilber. Kap. XI übernimmt von Vitruv die Herstellung aus Alexandria eines blauen Pigmentes (wohl Ägyptischblau) aus Sand und Sodablumen (nitri flore); Kap. XII bespricht die Herstellung von Bleiweiss (cerussa), Grünspan (aerugo) und sandaraca (hier als künstliches Pigment gedacht = Mennige). Kap. XIII beschreibt die Herstellung von Schneckenpurpur (ex conchilio marino), die Schnecken findet man im Schwarzmeer und Gallien. Kap. XIIII beschreibt Möglichkeiten, aus Naturfarbstoffen purpurne Farben zu erhalten, oder z. B. herba luteum (Färberwau) auf Kreide aufzutragen (Verlackung).

Ausgaben Abgeleitete lat. Ausgaben: Vitruvius iterum et Frontinus à Iocundo revisi repurgatique quantum ex collatione licuit. Filippo Giunti, Firenze 1513 / M. Vitruvii de architectura libri decem nuper maxima diligentia castigati atqu; excusi, additis Iulii Frontini de aqueductibus libris ... Erediti de F. Giunti, Firenze 1522 / M. Vitruvii de architectura libri decem, summa diligentia recogniti, atqu; excusi ... Additis Iulii Frontini de aqueductibus libris... Erediti di B. de Gabiano, Lyon 1523.
Erstausgabe De architectura (-40 - -27) von Vitruv
Bezug zu anderen Quellen
Referenzen Architectura, Ciapponi, L.A.: Fra Giocondo da Verona and his edition of Vitruvius, in: Journal oft he Warburg and Courtauld Institutes, 47, 1984, p. 72 – 90. Bruno Reudenbach: In Mensuram Humani Corporis. Zur Herkunft der Auslegung und Illustration von Vitruv III 1 im 15. und 16. Jahrhundert, in: Christel Meier und Uwe Ruberg: Text und Bild, Aspekte des Zusammenwirkend zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden: Reichert Verlag, 1980, S. 651-688
Verfasser Zindel 2017
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